Der Kreuzweg...

Ich muss zugeben, ich war recht glücklich, Cordoba hinter mir zu lassen. Ich hatte zwar hervorragende Gesellschaft, aber man kann nur so viele Seniorenausflüge machen, bzw Kreuzwege gehen, bis man gelangweilt ist. Weil ich mir nicht sicher war, was ich als nächstes Ziel anpeilen sollte, wählte ich kurzentschlossen San Miguel de Tucuman. Und die Spannung stieg...

Denn dieser Weg wird kein leichter sein...

Der erste Unterschied zu Cordoba: Ich war allein im Zimmer. Das war so wundervoll, dass ich gleich mal für ein Weilchen liegen blieb, und mich vom Nachtbus erholte. Wer kann, der kann, oder etwa nicht? Da meine Ankunft ja kurz vor den Feiertagen war, wusste ich nicht genau, wie lange ich dableiben würde. Und auch wenn ich Tucuman interessanter fand (nachdem ich mich mal aus dem Bett bewegt hatte ;) als Cordoba, war die Stadt trotz allem nicht besonders interessant.

 

Vor allem, da alle Geschäfter geschlossen waren, als ich versuchte, irgendwas zu machen. Mir wurde dann auch erklärt wieso. Siesta. Ich mein, eh klar, machen wir mal Mittagspause von 12.00 bis 17.00... Warum auch nicht? Dafür haben sie dann halt wieder bis um 21.00 geöffnet. Ist doch die beste Zeit, shoppen zu gehen? Am ersten Tag habe ich dann aber tatsächlich mal ein paar neue Klamotten gekauft, nachdem ich in Cordoba realisiert hatte, dass es plötzlich wieder scheißkalt ist, und der Großteil meiner Klamotten eher für wärmere Temperaturen geeignet ist. Natürlich ists jetzt wieder heiß, aber zumindest für die stets sehr liebevoll gekühlten Busse ist es sicher nicht das schlechteste, einen warmen Pulli mitzuhaben.

 

Den Mittwoch verbrachte ich dann noch damit, ein paar Sachen einzukaufen, weil ich mir nicht sicher war, ob am Donnerstag, Freitag etc irgendetwas geöffnet sein würde. Mit ein paar Sachen mein ich essbares. Äpfel, Bananen, Karotten... Für den Mitternachtssnack natürlich ;). Ich stellte dann am nächsten Tag recht schnell fest, dass zwar Geschäfter durchaus geöffnet sind, Restaurants etc jedoch überhaupt nicht. Bzw nur mit sehr unhöflichem Personal bestückt.

Bei einer Bar stand ich sicher 5 Minuten, um das Menü zu konsultieren. Der Kellner sah mich und nickte mir freundlich zu, und als ich beschloss, dass ich wohl was finden würde, suchte ich mir ein nettes Plätzchen. Es dauerte dann sicher an die 10 Minuten, währenddessen der Kellner in der Gegend herumstand und den Fernseher anstarrte (wo ein Livebericht von Obama in Argentinien gesendet wurde – also 10 Minuten Panoramabilder von dem Hotel, in dem er lebt. TOTAL spannend... - ich habs auch geschaut, hatte ja nichts besseres zu tun..)

Als er dann nicht mehr wusste, wie er mich vermeiden konnte, stellte er sich äußerst charmant vor mich hin und schaute mich fragend an. Ich bat ihn um das Menü, aber das lehnte er, scheinbar aus Prinzip ab. „Heute haben wir nur das“ war die Antwort, gefolgt von einem undefinierbaren Menüvorschlag. Mir kam es etwas komisch vor, da die anderen 5 oder 6 Leute nicht alle das gleiche Essen hatten, aber ich hätte auch so nicht sagen können, was es ist.

Ich vermutete ja, dass sie bzgl Gründonnerstag einfach kein Fleisch servieren wollten, aber nachdem sie auch vegetarische Pasta etc hatten, sah ich nicht, wieso es ein Problem sein sollte, ein Menü zu bekommen. Als er sich weiterhin weigerte, stand ich auf und ging. Wurde dann absolut entsetzt angeschaut. Fragt mich nicht wieso, ist er ja immerhin selber schuld...

 

Weil ich 'Sightseeing' schon gemacht hatte (ein paar Gebäude in San Miguel und das Museum), beschloss ich, dass ich doch mal wieder ins Kino gehen könnte. Wieso auch nicht. Vor allem weil ich schon seit einigen Tagen Plakate für Batman vs Superman gesehen hatte, und langweiliger als im Hostel sitzen kanns ja nicht sein, oder?

 

Es spricht für Tucuman, dass das in Schlange stehen für Tickets, und das dann spätere in Schlange stehen für den Eintritt wohl die Gelegenheiten waren, wo ich am meisten Leute in der Stadt sah. Ich war um 16.30 dort, wollte den Film um 17.00 sehen. Um 17.20 war ich am Verkaufsschalter angekommen, und stellte dann fest, dass die nächste englische Vorstellung erst um 22.20 starten würde. Ok, spanisch wollte ich jetzt auch nicht, und wenn ich schon so lange anstehe, dann will ich wenigstens den Film sehen, eh klar, oder? Ich machte mich dann um 22.00 wieder auf den Weg zum Kino, und die Schlange für den Eintritt war noch länger, als für die Tickets 5 Stunden vorher (und die war lang, es waren sicher an die 100 Leute vor mir, als ich kam, und als ich ging, ging die Schlange komplett um die Ecke). Ich hatte natürlich nicht realisiert, dass freie Platzwahl war, und war somit leider nicht in der Lage, mir Popcorn zu kaufen, wenn ich einen guten Sitz bekommen wollte. Ich glaube, ich hätte mir eher Popcorn kaufen sollen, vor mir saß ein Riese und ich sah eh die halbe Zeit nur Teile vom Bildschirm. Noch dazu war das Kino eher seltsam, zum einen waren alle Reihen gleich hoch, und zum anderen hatten sie ca 10 Ventilatoren im Raum, die mordsmäßig Lärm machten. Nicht so viel Lärm wie die sicher 2 Dutzend Kleinkinder, die um die Zeit im Kino saßen. Manchmal verstehe ich die Welt nicht, ist ja jetzt auch nicht unbedingt ein Film, den ein 2 oder 3-jähriger unbedingt sehen muss, vor allem nicht um halb 11 nachts? Wenn sogar ich damit kämpfen musste, nicht einzuschlafen.

Dazu muss ich noch sagen, dass mich auch die Popcorn meiner Nachbarin wirklich abgelenkt hatten. Die hatte einen ganzen Kübel und hatte kaum was gegessen. Aber ich glaube, es wäre nicht so gut gekommen, wenn ich einfach ein paar genommen hätte... Ich wollts auch nicht darauf ankommen lassen...

 

Am nächsten Tag beschloss ich, in Ermangelung an anderen Plänen, eine kleine Wanderung nach San Javier zu machen. Mir war im Reisebüro am Mittwoch schon gesagt worden, dass die Busse retour eher rar waren, daher beschloss ich, die ganze Wanderung eher umzudrehen, und in San Javier zu beginnen, weil die Busse in der Stadt regelmäßiger sein würden. Leichter gesagt, als getan. Die Info war, dass Busse vom Terminal wegfuhren, also ging ich mal dorthin. Im Terminal selbst fand ich nichts nach San Javier, und auch bei den Haltestellen vorne konnte ich nichts finden. Die Passanten, die ich danach fragte, starrten mich verwirrt an und schickten mich weiter. Also kein Glück...

 

Daher beschloss ich, in die Stadt zu gehen, um eben doch den Bus zum Startpunkt zu bekommen, und dann eben die traditionelle Wanderung zu machen. Weil aber Karfreitag war, hatte das Schicksal wohl für mich geplant, mich mehr wie Jesus zu fühlen. Oder wahrscheinlich ist es einfach nur die Tatsache, dass ich ein wandernder Unfall bin, und mein Knie schon wieder zu schön verheilt gewesen wäre. Alas, durfte ich auf dem komplett flachen Gehsteig den Boden küssen. Wie gern ich das auch mag. Jetzt schaut meine Hand auch so aus, als wär sie ans Kreuz genagelt. Wenn auch an einer seltsamen Stelle. Ich wünschte, die Geschichte wäre hier zu Ende...

 

Nein, weil ich ja so abenteuerlich bin, beschloss ich, die Wanderung doch zu machen. Blutet ja nur ein bisschen. Jeder hat sich schon mal die Haut aufgeschürft, das ist gleich wieder vorbei. Dachte ich. Heute, fast eine Woche später, schaue ich immer noch aus, als wäre ich ans Kreuz genagelt worden. Nicht ich, nur meine Hand, aber es geht ja ums Prinzip... Aber erstmal auf zur Wanderung. Weil Argentinien ein wunderbar idiotisches System hat, was öffentliche Verkehrsmittel angeht, versuchte ich, erstmal wieder eine Karte für die Busse zu bekommen. Aber eh typisch, Karfreitag, nichts ist geöffnet. Ich versuchte mich daher am altbewährten System. Einfach mal 10 Pesos mitnehmen und den oder die erste Person im Bus fragen, ob ich die Karte ausleihen könne, und sie dafür mein Geld bekommt. Funktioniert normalerweise. Es sei denn ich bin die einzige Person im Bus. Das machts dann eher schwieriger. Aber der Busfahrer hatte Erbarmen und nahm mich trotzdem mit.

 

 

Aus mir noch immer nicht nachvollziehbaren Gründen musste ich dann jedoch aussteigen und in einen Bus mit der gleichen Nummer und Endstation umsteigen. Ist mir nicht ganz klar, aber ok, wieso auch nicht. Wiederum war ich die einzige Person im Bus. Da kommt Freude auf.

 

Ich bekam demnach auch langsam aber sicher das Gefühl, dass ich wohl die einzige Person war, die heute unterwegs sein würde. Und tatsächlich kamen mir nicht viele Leute entgegen. Die Wanderung selbst bestand aus 2 Teilen, zwei verschiedene Trails eigentlich. Der erste Teil hätte mich an alten Bahngleisen entlangführen sollen. Es stand, dass ich etwa 45 Minuten gehen würde, ich war 20 unterwegs, bis ich vor einem Eisenzaun stand und offensichtlich nicht mehr weiterkam. Na gut, wie dem auch sei.. Ich beschloss daher umzudrehen und den zweiten Trail zu starten. Hier kamen mir zum ersten Mal Leute entgegen. SEHR dreckige Leute, muss dazu gesagt werden. Im Nachhinein bin ich auch schlauer und hätte den Weg vermieden, aber ich dachte mir, das sind wahrscheinlich nur ein paar Tollpatsche. Aber wer ist der größte wandelnde Unfall? Ja, richtig. Ich natürlich.

 

Zu meiner Freude und Verwunderung schaffte ich es, ohne in den Dreck zu fallen, bis nach ganz oben. Halt, ganz oben? Ja, bis zum Viewpoint, wo ich auch noch 3 andere Mädels traf, die ebenfalls sauber waren. Weil es aber begann zu tropfen, machten die sich auf den Weg zum Bus, und ich versuchte herauszufinden, wieso der Viewpoint wirklich ein Viewpoint war. Das Rätsel konnte ich bis heute noch nicht lösen, Bäume hab ich im Wald schließlich auch genug gesehen. Nun gut, dachte ich mir, dann folge ich mal den Mädels. Natürlich, wie dem auch anders sei, war ich der Straße schon sehr nahe, als ich plötzlich ein unüberwindbares Hindernis vor mir hatte. Und nicht nur vor, sondern auch neben und hinter mir. Fragt mich nicht wie ich da hingekommen bin, im Prinzip stand ich in einer Schlamminsel. Weil ich eh keine andere Chance sah, versuchte ich den bestmöglichen Weg herauszufinden. Und sank knöcheltief im Dreck ein. Also tiefer, als meine Schuhe sind. Die vorher schwarz waren, nachher braun. Auch ein schöner Weg, einen Tag zu verbringen...

 

Während ich mich aus dem Dreck kämpfte, schaffte ich es natürlich noch, richtig auf die Schnauze zu fallen. Bzw mit meinen Händen voraus. Meine gekreuzigte Hand war nun also auch voll Schlamm. Komplett voll. Ich hatte also die Möglichkeit, irgendwo in den Untiefen meiner Tasche eine eventuell vorhandenes Taschentuch zu suchen, und meine Tasche komplett vollzusauen, oder zu hoffen dass bald irgendwo ein Bach sein würde. Ich entschied mich für zweiteres...

 

Weil natürlich, und wer hätte das gedacht, kein Bach auftauchte, sah ich mich irgendwann gezwungen, meine Hände mit ein paar Blättern wenigstens ein wenig  abzuzupfen, um den Dreck ein wenig loszuwerden, und versuchte es dann mit Taschentüchern noch besser runterzubekommen.

 

Dann der nächste Teil meines Abenteuers. Ein Bus nach Tucuman. Ich befand mich in ca 25 km Entfernung von der Stadt, in Schlammschuhe, am Karfreitag, und kalt wars auch. Wirklich eine beneidenswerte Situation. Seid ihr nicht alle neidisch? Nun gut, weil weder ein Bus in Sichtweite war, noch ein Auto stehen blieb, beschloss ich ein wenig zu wandern. Ein wenig waren schlussendlich an die 5km, nur um bis zur nächsten Ansammlung von Menschen zu kommen. Und was war das? Am Karfreitag, natürlich ein Kreuzweg. Wirklich fantastisch. Mir wurde dann gesagt, der nächste Bus würde um halb 7 fahren, es war kurz vor 4. Ich versuchte mich am Autostoppen, aber scheinbar wollte mich niemand mitnehmen. Also einfach mal zu Fuß losgelegt und immer, wenn ein Auto vorbeigekommen ist, mal eben den Daumen rausgehalten. Bzw fast immer, von jedem wollte ich auch nicht mitgenommen werden.

 

Ca 1 Stunde später hatte ich dann auch mal Glück und eine Familie blieb stehen und nahm mich mit nach Tucuman. Ich war äußerst glücklich, wieder im Hostel zu sein. Und äußerst glücklich darüber, duschen zu können und meine Schuhe zu waschen. Dies hieß natürlich auch, dass ich den nächsten Tag nur mit Flipflops unterwegs war, und hoffte, dass meine Schuhe bald wieder trocken sein würden...

 

 

Samstag und Sonntag waren dann relativ unspektakulär. Aufgrund meiner nicht vorhandenen Schuhe und des schon vorhandenen Regens war ich die meiste Zeit im Hostel und versuchte, Internetverbindung zu bekommen. Nicht wirklich erfolgreich, aber egal. Also ein paar Bücher lesen, und am Sonntag dann ein paar Ostereier essen, bevor ich entgültig die Pläne für den nächsten Tag finalisierte und beschloss, nach Cafayate zu fahren. Eine weise Entscheidung!

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Kommentare: 1
  • #1

    Maria (Montag, 25 April 2016 20:25)

    Ich hab schon ein paarmal zu Papa gesagt, wenn du heimkommst, muß ich ein Lazarett vorbereiten und deine vielen Wunden pflegen. Habe gar nicht gewußt, daß du das Unglück so anzieht, zuhause ist mir das nie aufgefallen.